Skip to content

Kürzlich hat mir ein Kunden für den wir schon seit längerer Zeit Telefonakquise betreiben angeboten, dass er uns lieber nach „vereinbarten Terminen“ bezahlen würde als nach Stunden-Tarif.  Er meinte, dass wir ja ohnehin gut arbeiten und die Mitarbeiterin, die telefoniert, damit viel mehr Motivation hätte. Aha. Ich fragte ihn, an welchen Betrag er denn so gedacht hätte, für einen Termin. Ich sollte vielleicht erwähnen, dass es bei dem besagten Projekt um ein sehr anspruchsvolles IT-Projekt ging. Er wollte pro Termin 750 Euro bezahlen.  Nicht schlecht, 750 Euro pro vereinbarten Termin, also wirklich kein unseriöses Angebot, wenn man bedenkt, dass ihn ein Termin bisher unter 300 Euro gekostet hatte (Verrechnete Stunden dividiert durch Anzahl der vereinbarten Termine). Ich frage ihn also, warum er denn plötzlich so viel mehr für einen Termin bezahlen möchte und er meinte, dass die Mitarbeiterin, die für ihn telefoniert, sicher motivierter wäre und für ihn wäre es weniger Risiko. In 25 Jahren meiner Selbständigkeit, bin ich noch nie auf ein solches Angebot eingegangen. Es kam mir immer unseriös vor, denn es ging ja meistens darum, uns  unter Druck zu setzen und unterstellte indirekt, dass mehr drinnen wäre, würde nur der Preis stimmen. Ich fragte  meine Mitarbeiterin, was sie denn davon hielte und sagte ihr, dass wir – basierend auf ihrer derzeitigen Terminquote – deutlich mehr verdient hätten. Sie hatte kein gutes Gefühl damit, und machte sich Sorgen darüber, weniger zu erwirtschaften, wenn sie weniger Termin ausmachen würde. Sie empfand diesen Druck alles andere als motivierend. Ich war ganz auf ihrer Seite und wir lehnten diesen Vorschlag ab. Der Kunde blieb trotzdem. So, und nun kommt die Pointe der Geschichte:
Just in diesem Monat hat sie doppelt so viele Termine ausgemacht, wie in den Monaten zuvor. Sie kam also zu mir und meinte, sie hätte jetzt fast ein schlechtes Gewissen mir gegenüber, weil wir mit der Variante „Termingeld“ mehr Umsatz hätten machen  können. Ich bin dennoch überzeugt, dass ihre Entscheidung die richtige war.  Sie macht ihren Job so und so gut und freut sich über jeden Termin – auch ohne Bonifikation. Die Zufriedenheit und das Lob des Kunden sind ihr wichtiger.

Das sagte Reinhard Sprenger in seinem Buch „Mythos Motivation“ zum Thema Bonifikationen:

Motivationsspritzen durch Prämien, Urlaube, Geschenke haben sich in den Köpfen vieler Unternehmer als notwendige Methode festgesetzt. Sie gehen davon aus, dass Mitarbeiter dadurch zu Höchstleistungen gebracht werden können. Sprenger argumentiert sehr raffiniert dagegen. Seiner Ansicht nach verliert durch diese versprochene Belohnung die Arbeit ihren eigentlichen Zweck. Die Kreativität bleibt auf der Strecke, weil nicht mehr um der Tätigkeit willen, sondern nur noch wegen des Köders gearbeitet wird.

Einleuchtend ist seine These, dass diese Haltung ein grundsätzliches Misstrauen dem Mitarbeiter gegenüber innewohnt. „Eigentlich — so die implizierte Annahme — sind tendenziell alle Mitarbeiter Betrüger. Sie betrügen den Arbeitgeber um einen Teil der Arbeitskraft, die er bezahlt.“ Sprenger räumt ein, dass ein versprochenes Geschenk durchaus kurzfristig seine Wirkung durch einen erhöhten Einsatz erzielt. Aber nur für eine kurze Zeit. Die Prämien werden immer mehr nach oben geschraubt und hohe Kosten entstehen. Eine weitere Folge tritt ein: Die Begeisterung für die Bestechung verliert an Wert.

Der Mitarbeiter verliert seine Begeisterung für die Idee, er wird sich so niemals mit dem Unternehmen identifizieren. Er wird sogar quengelig, anspruchsvoll und von aggressiver Langeweile gepackt. Es ist also kontraproduktiv.